Predigt zu Römer 12,1-4 (1. Sonntag nach Epiphanias)

Predigt zu Römer 12,1-4 (1. Sonntag nach Epiphanias)

Predigt zu Römer 12,1-4 (1. Sonntag nach Epiphanias)

# Predigten Emmaus

Predigt zu Römer 12,1-4 (1. Sonntag nach Epiphanias)

Ich ermutige euch, Geschwister: Verlasst euch auf Gottes Mitgefühl und bringt eure Körper als lebendige und heilige Gabe dar, an der Gott Freude hat. Das ist euer vernunftgemäßer Gottes-Dienst.

Schwimmt nicht mit dem Strom, sondern macht euch von den Strukturen dieser Zeit frei, indem ihr euer Denken erneuert. Dann wird euch deutlich, was Gott will: das Gute, das, was Gott Freude macht, das Vollkommene.

Durch die Befähigung, die Gott mir geschenkt hat, sage ich nun einer jeden und einem jeden von euch: Überfordert euch nicht bei dem, wofür ihr euch einsetzt, achtet auf eure Grenzen bei dem, was ihr vorhabt. Denn Gott hat jedem und jeder ein bestimmtes Maß an Kraft zugeteilt, Vertrauen zu leben.  

Liebe Gemeinde,

„…bringt eure Körper als lebendige und heilige Gabe dar…“!

Eine merkwürdige Aufforderung.

Wobei das in dieser Übersetzung – in der „Bibel in gerechter Sprache“ –

noch sehr soft formuliert ist.

Martin Luther übersetzt da drakonischer:

„Ich ermahne euch nun, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer!“

 

Was meint Paulus damit, unsere Körper als lebendige und heilige Gabe – oder wie es Luther meint: als „Opfer“darzubringen?

Formulierungen aus längst vergangener Zeit?  

Bei dem Körper als lebendige und heilige Gabe geht es eigentlich um nichts anderes, als „klar“ und „verbindlich“ zu sein. Zu biblischen Zeiten wurde der Begriff der Gabe bzw. des Opfers letztlich genau dafür verwandt: dass man oder frau eben „mit Haut und Haaren“ zu etwas bzw. jemanden steht: sich also zu positionieren. Nicht nur so halb, sondern ganz.

Oder um es mit Jesu Worten zu sagen: man kann nicht gleichzeitig zwei Herren dienen. Was zu jeder Zeit automatisch eine politische Dimension hat:  

Es geht also um Loyalität – oder um es noch einmal mit einem ähnlich alten Begriff auf den Punkt zu bringen: es geht um eine Herrschaftsfrage: vertrauen wir Gott und SEINEM „Mitgefühl“ wie es in unserem Predigttext heißt oder vertrauen wir den vielen anderen Stimmen in dieser Welt, die gerade heute meist von „Mitgefühl“ wenig bis gar nichts durchscheinen lassen.  

Vor wem beugen wir unsere Knie?

Für Paulus ist es klar, dass ein wirklicher Gottes-Dienst nur der sein kann, wenn wir das gegenüber dem Gott der biblischen Schriften tun.  

In den Zeiten, die wir nicht jetzt erst erleben, erscheint das als ein hilfreicher Gedanke.  

Ich weiß nicht, wie es Ihnen/wie es Euch geht:  

Es sind so anstrengende Zeiten: eine Welt, in der mehr und mehr verlässliche Strukturen uns wie Sand zwischen den Fingern zerrinnen.

Zeiten, in denen sich die Probleme auftürmen.

Wo der Streit im Vordergrund steht – viel zu oft nur die Suche nach dem eigenen Vorteil. Ein Stimmengewirr, in dem gerade in den Zeiten des Wahlkampfes hier in unserem Land mit Ängsten gespielt wird. Oft genug der Appell an die niedrigen Instinkte!

Und wer die Berichte allein über den gestrigen Parteitag der rechtsradikalen AfD wahrgenommen hat weiß, wie Lebens- und Menschenfeindlichkeit unter lauten Jubel gefeiert worden ist.

Wo es scheinbar kaum noch Tabus gibt, die noch nicht gebrochen sind.

Wo kaum noch Stimmen zu hören sind, die von Humanität, Gerechtigkeit, einem guten Miteinander der Verschiedenen oder Frieden Zeugnis geben.  

Gäbe es allein nur dieses Stimmengewirr?

Und keine Orientierung?

Im Schwitzkasten der Ängste?

Wo wem gehen wir – wenn es so wäre – im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie?  

In dieses Stimmenwirrwarr höre ich Paulus hineinreden:  

Schwimmt nicht mit dem Strom, sondern macht euch von den Strukturen dieser Zeit frei, indem ihr euer Denken erneuert.  

Als ich in den 80er Jahren studierte hatte jemand in den Aufzug des Bochumer Universitätsgebäudes, in dem sich die theologische Fakultät noch heute befindet, mit Edding folgenden Spruch reingeschrieben: „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom“.  

Sich treiben lassen, kann bedeuten, kapituliert zu haben: vor den Problemen, den Ängsten, vor den Stimmen , die sich vor uns aufbauen.

Sich treiben lassen, kann bedeuten, alle Hoffnung aufgegeben zu haben.

Und sich treiben lassen definiert auch jemanden als Getriebenen – als einen, der seiner Autonomie beraubt ist.  

Schwimmt nicht mit dem Strom, sondern macht euch von den Strukturen dieser Zeit frei, indem ihr euer Denken erneuert.  

Paulus kannte damals schon all die Mechanismen, die wir heute erleben. Natürlich anders – in Variation. Aber die Gabe, andere zu etwas zu bringen – sie zu manipulieren – mit Ängsten zu spielen: das ist so alt wie die Menschheit selber.  

Daher sein Reden.

Wenn ich Gott vertraue – IHM – mich an IHN als meine Orientierung klammere – und SEINER Botschaft von Freiheit und Humanität vertraue, bedeutet das Freiheit.

So als würde ich die Lautstärke dieses Stimmengewirrs einfach mal runterdimmen. In Ruhe darüber nachzudenken und es abzugleichen mit dem, was mir die biblische Botschaft an die Hand gibt.  

Gott und SEINE Botschaft ist dann der Orientierungspunkt für mein Leben.

Ein Fels in der Brandung, an dem ich mich festklammern kann.

Eine Orientierung, die mir ermöglicht, klar denken zu können.  

Wenn ich der von Gott gewollten Humanität Vertrauen schenke und mich an ihr orientiere, dann betrachte ich diese Welt mit anderen Augen und höre auch die Stimmen meiner Zeit anders.  

Am Rockzipfel Gottes zu hängen gibt mir die Möglichkeit, etwas zu bewerten und bewahrt mich davor, aufgesogen zu werden…ein Getriebener zu sein…angesichts der vielen Probleme in dieser Welt…der Angst…der Panik um meine eigene Existenz.  

Schwimmt nicht mit dem Strom, sondern macht euch von den Strukturen dieser Zeit frei, indem ihr euer Denken erneuert.  

Freiheit, das Denken zu erneuern.  

Ganz auf der Linie der Jahreslosung:

Prüft alles und behaltet das Gute!  

Freiheit eben im Stimmengewirr dieser Zeit, unterscheiden zu können.

Weil es genauso wenig gut ist, alles pauschal zu verteufeln.  

Das, was vielleicht erst einmal paradox klingen mag, erweist sich nach biblischer Logik als eine Perspektive:  

Die Loyalität zu Gott allein eröffnet Freiheit – Freiheit, sich für das Leben zu entscheiden.  

Dann wird euch deutlich, was Gott will: das Gute, das, was Gott Freude macht, das Vollkommene.  

Denn Gott liebt das Leben.

ER will das Leben.  

Und weil Gott das Leben liebt, führt Paulus auch weiter aus:  

Durch die Befähigung, die Gott mir geschenkt hat, sage ich nun einer jeden und einem jeden von euch: Überfordert euch nicht bei dem, wofür ihr euch einsetzt, achtet auf eure Grenzen bei dem, was ihr vorhabt. Denn Gott hat jedem und jeder ein bestimmtes Maß an Kraft zugeteilt, Vertrauen zu leben.  

Ist das Unterscheiden – das Betrachten der Welt mit der Brille der Humanität das eine, ist das andere, entsprechend auch zu handeln.

Die Menschenfreundlichkeit Gottes zeigt sich dann auch darin, dass von uns nur das erwartet wird, was wir auch machen können.  

Ich kann als Einzelner eh nicht die Welt retten - und trotzdem kann ich etwas tun.

Jeder und jede kann das.  

So wie es Dietrich Bonhoeffer formuliert hat und wir es vorhin miteinander gesprochen haben:  

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage

soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.

Aber er gibt sie nicht im voraus,

damit wir uns nicht auf uns selbst,

sondern allein auf ihn verlassen.  

Oder wie es eben Paulus sagt:  

Denn Gott hat jedem und jeder ein bestimmtes Maß an Kraft zugeteilt, Vertrauen zu leben.  

Wo stehen wir in diesen Zeiten?

An wem orientieren wir uns?

Sind wir schon ein halbtoter Fisch?

Vor wem sind wir schon in die Knie gegangen?  

Das sind die Fragen, die uns Paulus heute vor die Füße legt.

Amen.

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