Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten (29.12.2024)

Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten (29.12.2024)

Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten (29.12.2024)

# Predigten Emmaus

Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten (29.12.2024)

13 Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.  14 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15 und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: »Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«  16 Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte.  17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht:  18 »In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.« (Matthäus 2,13-18)  

Liebe Gemeinde!  

Die Weihnachtsgeschichte mündet bei Matthäus in den Kindermord zu Bethlehem aus.  Stärker dürfte der Kontrast nicht sein: ein verheißungsvolles Geschehen, das in einem Stall seinen Lauf nimmt auf der einen Seite - und ein Gemetzel unvorstellbarer Grausamkeit auf der anderen Seite.  

Erinnerungen werden hier geweckt. Schon einmal wird in der Bibel berichtet, dass Kinder getötet wurden: lange Zeit vor Jesus als der Pharao, um seine Macht zu sichern, das Volk Israel klein halten wollte. Auch damals sind es die Kinder gewesen, die die Gewaltbereitschaft der Mächtigen zu spüren bekamen - und: auch damals konnte eines dieser Kinder entrinnen: Mose entkam - der Mose, der später Gottes Volk aus dem Sklavenhaus herausführen sollte.  

Am Anfang der Befreiung steht unermessliches Leid.  

So auch hier: auch die Befreiungsgeschichte, die durch den Messias eingeläutet wird, ist eingebettet in Tod und Trauer. Wie zu Zeiten des Pharaos wird das, was hier seinen Lauf nimmt, erst einmal übertönt von dem Weinen und der Verzweiflung der Mütter.  

Befreiung und Leid stehen untrennbar nebeneinander.  

Nicht im Sinne des revolutionären Prinzips, dass jede Befreiung nun einmal nicht unblutig vonstatten gehen. Von dem Prinzip, das in den Ohren der Opfer nur zynisch klingen kann, ist hier nichts zu hören.  

Warum aber stehen nun Befreiung und Leid in solch erdrückender Nähe?  

Einige Exegeten betonen: dass diese Geschichte dazu dienen soll, die wundersame Bewahrung Jesu und seiner Eltern herauszustreichen. Die Geschichte als Mittel zum Zweck - wo der Kindermord zu Bethlehem als Kulisse dient, damit sich die Rettung Jesu umso mehr heraushebt.  

Sicherlich: Jesus wird bewahrt - auch seine Eltern. Aber was ist mit den anderen? Hunderte von toten Kindern als Preis dafür, damit Gottes Geschick, den neugeborenen Messias zu retten, unter Beweis gestellt werden kann?  

Das kann doch nur der ernsthaft behaupten, der sich einem solchen Leid verschließt oder der schon so abgestumpft ist, dass selbst so eine menschenverachtende Interpretation nicht mehr auffällt.  

Es muss also andere Gründe dafür geben, dass Befreiung und Leid so miteinander verwoben sind - Gründe, die dem Schrecken, den diese Geschichte erzeugt, wenigstens seine Totalität nimmt.  

Ich sagte schon zu Anfang, dass Matthäus Erzählung biblische Erinnerungen weckt.  

Ein weiteres, an das Matthäus erinnert, ist der Grund, warum der so sehr ersehnte Messias überhaupt geboren worden ist: dabei zitiert Matthäus einige Verse vor unserem Predigttext den Propheten Jesaja - er nimmt Bezug auf die wunderschöne Verheißung, die wir in den letzten Tagen als Lesung hören konnten:  

Dass nämlich ein Kind geboren wird - ein Sohn, dessen Herrschaft auf seiner Schulter ruhen wird - der heißen wird: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewigvater, Friedefürst. Der ein Reich des Friedens errichten wird.  

Dieser Kommende – so Jesaja - wird Schluss machen mit all dem, was Menschen das Leben nicht nur schwer macht, sondern auch verunmöglicht. So spricht Jesaja seine Verheißung auch in einen Erfahrungshorizont hinein, in dem Verhältnisse herrschen, die Gewalt - Krieg - Trauer hervorrufen. Deshalb steht für ihn die Gewissheit, dass dieses Kind geboren wird, mit einer anderen Gewissheit Hand in Hand, die Jesaja folgendermaßen ausdrückt: Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.  

Das in Bethlehem geborene Kind wird von einer Hoffnung getragen.  

Der Messias wird also in einer Welt hineingeboren, in der Gewalt herrscht,

von der er die Menschen eben befreien soll. In keine heile Welt wird er hineingeboren.

Es ist eine Welt, in der Menschen zur Machterhaltung alles machen - in der sich Menschen selbst an Kinder vergreifen.  

Und: der flüchtende Jesus samt seinen Eltern markiert einen Solidarakt des Messias mit denen, die unter diesen Gewaltverhältnissen zu leiden haben.  

Die Bibel scheint sich den Messias nur eben so denken zu können, dass er mitleidet - dass nur dann der Befreier sein kann, wenn er selbst die Not als Flüchtling am eigenen Leib kennenlernt. Als Flüchtling, der einem Massaker entrinnt.  

Der Kindermord zu Bethlehem beschreibt eine Wirklichkeit – eine Wirklichkeit, die sich bis zum heutigen Tage unzählige Male wiederholt hat.

Und dabei ist das unschuldige Leiden der Kinder der Inbegriff für den Zu-

stand unserer Welt: laut UNICEF jedes 6. Kind – insgesamt 460 Mi llionen Kinder, die durch Gewalt, Krankheiten und Hunger akut bedroht sind.  

Nicht nur in der Ukraine, im Sudan, im Nahen Osten…überall wo Krieg, Terror und Gewalt herrschen.  

Entsprechend erinnert Matthäus noch an etwas drittes:  

Der Predigttext schließt mit einem Zitat aus dem Prophetenbuch des Jeremia: In Rama hat man ein Geschrei gehört - viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen...  

Der Schluss ist - für sich genommen - wenig ermutigend.

Und gleichzeitig liegt darin auch die Stärke.  

Denn das Leid wird als solches nicht einfach verdeckt.

Rahel beweint ihre Kinder auch noch heute.

An so vielen Orten.

Und das Weinen und Klagen nimmt einfach nicht ab.  

Es wird als offene Wunde bewahrt.

Um der Opfer Willen.

Damit klar wird: all das wofür dieser Messias steht, steht noch aus.

All die an ihn geknüpften Hoffnungen: sie stehen noch aus.  

Und wir, die wir in dieser Welt leben – so wie sie gerade ist – werden dadurch ermutigt, in dieser Welt nichts schön zu reden und zugleich uns an dieser Hoffnung festzuklammern, die uns das Flüchtlingskind Jesus immer wieder neu schenkt: dass jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und dass jeder Mantel, durch Blut geschleift, verbrannt wird.  

Amen

 

 

 

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