Predigt zum Sonntag Judika

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Predigt zum Sonntag Judika

Liebe Leserin, lieber Leser,

die biblischen Bücher geben uns Orientierung, Trost, Inspiration. 

Stellen wir uns jetzt einmal – ganz bildlich – vor, die biblischen Schriften wären so etwas wie Steine - ganz wunderbar zurechtgelegt - und sie würden für uns so einen Weg bereiten, damit wir darauf laufen können - in unseren Glaubensversuchen. 

Dann wäre das Buch Hiob bei diesem Weg wie eine Baumwurzel, die aus der Erde ragt. Eine Baumwurzel, damit wir darüber stolpern.

Denn dieses Buch Hiob ist ein unangenehmes Buch.

Warum?

Hiob wird zu Beginn des Buches als ein in jeder Hinsicht gerechter Mensch beschrieben: Gott gegenüber und auch seinen Mitmenschen ergeben. Er lebt gut, er hat eine Familie – er hat auch Besitz. Doch der Teufel – so in einer Rahmenhandlung – geht davon aus, dass Hiob - sobald er Schweres erleidet, Gott den Rücken zukehren und IHN verfluchen würde. Und so wird im Wissen Gottes Hiob alles genommen: Familie, Besitz – eben alles. 

Doch Hiob verflucht Gott nicht. 

Hiob fordert Gott vielmehr heraus.

Weil er nicht akzeptieren will, dass das Gottes Wille sein kann.

Hiob hat nun drei Freunde, die in immer wieder neuen Anläufen versuchen, in  Hiobs Ergehen einen Sinn zu finden. Mit dem Ziel, dass sich Hiob endlich abfindet – dass er Frieden schließt mit dem, was ihm widerfahren ist. 

Diese drei Freunde sind dabei alles andere als unsympathisch. Immerhin sitzen sie bei Hiob zunächst viele Tage – in Solidarität – bevor sie überhaupt anfangen zu reden. Aber sie sind auch deswegen sympathisch und auch zutiefst menschlich, weil sie versuchen, sich das Unglück Hiobs zu erklären. 

Denn wenn es eine Erklärung gibt, dann kann man etwas einordnen – dann wird die Bedrohlichkeit eines Zustandes minimiert und erträglicher gemacht. 

So sagt beispielsweise einer der Freunde, dass Hiobs Ergehen darauf zurückzuführen sei, dass Hiob sich doch irgendwann / irgendwo gegen Gott verfehlt habe – dass also ganz im Tun-Ergehen-Zusammenhang dieser totale Verlust schon seinen Grund habe – als Strafe.

Doch Hiob spielt dieses Spiel der Freunde nicht mit.

Was wäre Gott, wenn er überhaupt so wäre: der Tod einer ganzen Familie aufgrund einer Verfehlung? Wäre Gott dann nicht ein Dämon?

Und so verweigert sich Hiob all diesen Versuchen, dem Leid – seinem Leid – einen Sinn zu geben – sich darauf einen Reim zu machen. Und dabei entlarvt er das Reden der Freunde in letzter Instanz als empathielos – als unmenschlich.

Nein: für Hiob ist die Welt, wie er sie erlebt, nicht in Ordnung und diese Welt lässt sich nicht mit Gott in Einklang bringen – jedenfalls nicht mit dem Gott, den er aus den Schriften kennt: dem Gott der Gnade – dem Gott der Befreiung.   

Hiob will Gott hartnäckig beim Wort nehmen und was er erlebt und was er sieht, stimmt da nicht mit überein.

Hiob legt damit einen Finger – nein gleich die ganze Hand – in eine für uns genauso aktuelle Wunde, mit der wir leben – und mit der wir versuchen, uns zu arrangieren. Und diese Wunde ist ein Zustand einer Welt, in der das Leid zum Himmel schreit und nichts passiert – Gott nicht zu erkennen ist. Mehr noch: wo alles aktuell ja schlimmer wird, denn eine Wirkung dieser Pandemie ist, dass die Armen dieser Welt – und das ist die Mehrzahl – noch ärmer wird…und die Reichen noch reicher – in der Welt und in unserem Land. 

Hiobs Klage – seine Verweigerung – hallt auch in unsere Zeit hinein und stellt uns genau diese Frage, ob wir denn ernsthaft glauben, dass der Zustand unserer Welt mit Gott zu vereinbaren wäre? Und wo er jedes Argument unsererseits auseinandernimmt und entlarvt als plumpen Versuch, uns selbst zu beruhigen.

Hiob stört unsere scheinbar heile religiöse Welt.

Er konfrontiert uns mit dieser offenen Wunde, die vielleicht verdeckt, aber eben nicht geheilt werden kann.

Hiob ist ein Störenfried – so gesehen – ein biblischer Religionskritiker – einer, der sich einer religiösen Vertuschung verweigert: um Gottes Willen und unserer Willen.

Und in all dem: er ist trotz alledem nicht ohne Hoffnung.

Aber ich weiß – so hören wir Hiob sagen - …ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust. 

Hiob hat Gott nicht abgeschrieben. Er hat noch nicht aufgegeben, dass Gott sich mit SEINEM wahren Gesicht zeigt – nicht mit dem, was andere von IHM zeichnen. Seine Hoffnung ist, wenigstens das noch zu sehen: dass sich Gott regt - ein Lebenszeichen von sich gibt. Dass der Gott, DER diese Welt geschaffen und sie als gut befunden hat, dass genau dieser Gott sich als solcher zeigt und  nicht verschollen im Leid der Welt – nicht gefangen in allen Beschwichtigungsversuchen. Wo also Hiob gar nicht mal für sich selbst noch etwas hofft, sondern allein alle Hoffnung auf diesen Gott setzt, dass ER doch da ist…ER sich erhebt.

Am Ende dieses Buches wird Gott dem Hiob recht geben. Recht geben u.a. darin, dass Hiob IHN gerade nicht in ein passendes Denk-Sinn-Schema gepresst und so verunstaltet hat. Dass Hiob an dem festgehalten hat, wie sich Gott selbst dieser Welt vorgestellt hat. 

Gott hat Hiob darin recht gegeben, dass sich dieser bis zur Schmerzgrenze radikale Menschlichkeit sich bewahrt hat.

Hiobs Dienst für uns ist daher, dass wir nicht in die Falle einer religiösen Verschlackung geraten. Dass auch wir uns nicht arrangieren mit dem Leid – dass wir uns verweigern, etwas hinzunehmen. Und nicht das Schreien von Menschen abzuwürgen, dass es schon einen höheren, religiösen Sinn gäbe. 

Dass wir also im gleichen Atemzug so Gott in die Pflicht nehmen.

Denn wenn wir das tun – Gott in die Pflicht zu nehmen – , nehmen wir Gott ernst – und geben IHM so die Ehre.

Eine notwendige Schlussbemerkung:

Die Hoffnung Hiobs, dass sein Erlöser lebt, wurde in unserer christlichen Tradition sehr schnell und auch zurecht auf Jesus bezogen. Aber das wurde dummerweise gleich so gemacht, dass Jesus die nun alle beruhigende Antwort sein solle – als sei damit das Problem – die Frage nach dem Leid in dieser Welt gelöst. 

Effektiv ist das aber nur ein sehr durchschaubarer Versuch, sich Hiob und sein Anliegen vom Leibe zu halten. Denn das Leid ist nicht weniger worden – Gott sei es geklagt: auch nicht nach Ostern.

Bei dem von Hiob genannten Erlöser an Jesus zu denken, ist natürlich richtig. ABER es kommt darauf an wie: m.E. deshalb, weil Jesus sich in seinem Leiden, in seinem Sterben mit Haut und Haaren mit Hiob solidarisiert hat - er selbst die erlebte Gottverlassenheit wie Hiob durchlitten hat. 

Jesus hat sich dem ausgesetzt. Und so gesehen gibt auch Jesus Hiob recht. Und: er hält Hiobs Aufgebehren gleichsam offen – offen, weil – wie es Paulus später sagen wird – die Kreatur eben seufzt – die Welt voller Leid und Unrecht ist.

Und so können wir uns nicht an einer uns beruhigenden Antwort, sondern mit Jesus allein an einer Hoffnung festhalten, dass der Erlöser dieser Welt wirklich lebt. Und dabei nicht aufhören, einzuklagen, dass alles Leid ein Ende haben muss – dass auch Gott Antworten geben muss.

So sind wir - nicht nur in der Passionszeit - Klagende und Hoffende zugleich. 

Nicht das eine ohne das andere – nicht das andere ohne das eine.

Amen.

 

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