Predigt zum Heiligen Abend: Die Weihnachtsgeschichte

Predigt zum Heiligen Abend: Die Weihnachtsgeschichte

Predigt zum Heiligen Abend: Die Weihnachtsgeschichte

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Predigt zum Heiligen Abend: Die Weihnachtsgeschichte

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Weihnachtsgeschichte ist uns allen – meist seit Kindesbeinen – vertraut: in Text und Bild. Wir kennen manche Formulierungen teilweise auswendig…und wir kennen viele Darstellungen, die versuchen, diese Weihnachtsgeschichte nachzuzeichnen.

Und wenn wir uns jetzt einmal – an diesem Tag – diese alte Geschichte eben genau als ein großes Gemälde vorstellen… mit dem Stall – mit denen, die da drinnen sind – mit den Hirten auf dem Feld – der Herde – und den Engeln … wenn wir uns das vorzustellen versuchen: wo würden wir am liebsten in diesem großen Bild sein, wenn wir uns hineinbegeben könnten? Wenn wir mal zu träumen wagen?

Denn diese Geschichte ist ja eine Geschichte, die von einer großen Sehnsucht erzählt: der Sehnsucht, dass sich in dieser verwundeten Welt Hoffnung materialisiert – Hoffnung greifbar wird – Hoffnung auf ein geheiltes Leben. Hoffnung, die sich auf dieses Kind in dem Stall konzentriert. Für unsere Erfahrungswelt ist das stimmig, weil so ein Leben ganz am Anfang – wo noch alles unverbraucht ist… die Füße noch so unabgelaufen sind – weil so ganz am Anfang noch die Vorstellung unbeschädigt ist, dass auch alles möglich sein kann.

Also wo wären Sie – wo wärt Ihr also gerne in diesem Bild?

Spontan wäre Ich selbst gerne im Stall. Ich wäre gerne Zeuge dessen, was der Theologe Helmut Gollwitzer einmal so formuliert hat: „Wenn Du wissen willst, wie Gott kommt, dann darfst Du nicht nach oben schauen, dann musst Du nach unten schauen. Wenn Du es wirklich wissen willst, dann musst Du dort hinschauen, wo verachtete Winkel sind, wo marginalisiert wird, ausgestoßen wird, … , da unten ist Gott. Getreten, machtlos, liebend kommt er von ganz da unten her.“

Zeuge wäre ich gerne im Sinne einer Vergewisserung: mich zu wärmen, Kraft zu schöpfen und die Hoffnung fast körperlich zu spüren, dass der Zustand der Welt eben nicht das letzte Wort hat. Möglichst lange möchte ich da verweilen.

Ja das wäre schön: da im Bild(e) zu sein.

Doch – und da falle ich mir selbst ins Wort – in Wirklichkeit stehe ich woanders in diesem Bild. Zunächst - auf jeden Fall. Gefühlt befinde ich mich auf dem Feld bei den Hirten. Draußen – in der Kälte – und vor allem im Dunkeln. Nicht erst angesichts einer Pandemie, die mehr und mehr Menschen auf allen möglichen Ebenen in Not drängt und die uns nicht wirklich wissen lässt, wann wir uns wieder umarmen können. Sondern auch im Erleben sich eh verdunkelnder Zeiten, in denen so viele Fragen ohne wirkliche Antworten das Leben bedrängen – wie z.B.: 

Wie lange wird Gottes Schöpfung unseren Raubbau noch aushalten? Und werden wir überhaupt lernen können, anders zu leben…im Einklang? 

Wieviel Menschen werden noch jämmerlich ertrinken im Mittelmeer?  Hat Humanität noch eine Chance?

Oder eben die Frage: Fallen wir wieder zurück in die Barbarei eines völkischen Zeitalters – in Wort und Tat?

Und da bin ich nun an dieser Stelle im Bild. 

Aber ich merke: im Bild stehe ich nicht allein. Da sind auch andere – immerhin. Die Hirten. Ist geteiltes Leid nicht unbedingt immer auch halbes Leid, so bin ich wenigstens nicht der Einzige im Dunkeln. Das Erleben anstrengender Zeiten kann auch verbinden – das ist auch eine Erfahrung der letzten Monate. 

Wunschvorstellung und Realität – Stall und dann doch das Feld.

Und an dieser Stelle zeigt sich, dass Bilder etwas Statisches haben – dass sie immer auch der Worte bedürfen: der Geschichte, die hinter diesen Bildern steht.

Und hören wir auf diese alte Geschichte zu Weihnachten, dann bleiben die Hirten – gottlob – nicht im Dunkeln. 

Zuerst wird ihre erlebte Dunkelheit von außen aufgebrochen. So märchenhaft die Szene anmutet – wie das alles hell wird und der Engel erscheint – so ist dieser Auftritt (oder soll ich sagen: Einbruch) aber in der Erzähllogik des Evangelisten Lukas extrem wichtig. Wird doch da etwas ganz Entscheidendes markiert: denn das, was der Engel den Hirten mitteilt, ist etwas, was sie sich selbst nicht sagen könnten. Weil sie da keinen Erfahrungshorizont haben – kein Packende der Hoffnung. Wie wir es ja anscheinend auch nicht haben. Wie die Hirten erleben wir – auf uns zurückgeworfen – eigentlich doch nur, dass die Spirale der Gewalt sich seit Menschengedenken immer wieder neu reaktiviert.

Das von außen den Hirten Zugesprochene gibt im Kontrast dazu den ihnen die Möglichkeit, auf ganz andere Gedanken zu kommen – sich aus der Starre zu lösen und zu bewegen. Sich auf den Weg zu machen – in der Dunkelheit. Und auch nachdem sie dann den Stall gefunden haben und wieder zurückgehen – gehen sie wieder im Dunkeln. Und doch hat sich die Dunkelheit jetzt verändert. Sie ist nicht mehr die gleiche wie vorher. 

Weil die Hirten jetzt Hoffnung haben. 

Die Dunkelheit hat ihre Totalität verloren.

Die Dunkelheit ist begrenzt, so wie auch in Erinnerung an den Schöpfungsbericht von den biblischen Erzähler*innen die Dunkelheit als eine immer nur in ihre Schranken Verwiesene gedacht werden kann: das Licht steht am Ende und nicht die Finsternis. 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Heute feiern wir den Heiligen Abend und erinnern uns an die Geburt Jesu.

Inmitten dunkler Zeiten.

Inmitten von zusätzlichen Einschränkungen, die vieles nicht möglich machen, was wir gerade von diesen Tagen erwarten.

Allein die Gottesdienste vor leeren Bänken stehen dafür.

Für viele ist das sehr viel mehr als eine Herausforderung. 

Wir haben jetzt keinen Engel, der uns hier Licht hineinbringt in unsere Situation. Kein Engel. Und doch: wir haben einen Ersatz… nämlich diese alte Geschichte. Denn die alte Weihnachtsgeschichte führt uns genau das vor Augen was wir gar nicht mehr im Blick haben…haben können – und bringt auch uns auf andere Gedanken.

Zurück zu meiner Ausgangsfrage.

Wo wären wir alle gerne in diesem Bild?

Je länger ich darüber nachdenke, gefällt mir mehr und mehr die Schlussszene mit den Hirten, wie sie da wieder in die Dunkelheit gehen:

Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Getröstet, hoffnungsvoll, beschwingt, fröhlich. 

Da mitzugehen. Gemeinsam das Gefühl zu spüren und zu teilen, dass das alles gut werden wird.  Um aus diesem Bild wieder aufzutauchen – gestärkt für das, was vor uns ist. Im Hier und Jetzt. 

Von Weihnachten her zu kommen - von den alten Texten und den daraus gemalten Bildern sind wir also vielleicht sowas wie Hirten und Hirtinnen in unserer Zeit. Gerade auch in diesem Sinne, diese Texte zu bewahren und sie weiterzugeben. Als Hüter und Hüterinnen dieser Texte – in diesem Sinne sind wir Hoffnungsmenschen.

Ich wünsche uns allen dieses Erhellende, Ermutigende und Hoffnungsvolle. Damit auch wir Gott preisen und loben können für alles, was uns gesagt worden ist.

Gerade auch in diesen Zeiten!

Amen.


1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. 15 Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.


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