02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zum 2. Advent
Predigt zum 2. Advent
# Predigten
Predigt zum 2. Advent
Geduldet euch nun, meine Schwestern und Brüder, bis Jesus kommt! Auch diejenigen, die vom Acker leben, erwarten die kostbare Frucht der Erde so, dass sie sich gedulden, bis die frühen oder die späten Früchte reif sind. Geduldet auch ihr euch, stärkt das Denken, Fühlen und Wollen eurer Herzen, denn Jesus kommt bald!
Liebe Leserin, lieber Leser!
Da werden Menschen zur Geduld aufgefordert.
Geduld! Das kennen wir ja aktuell nur zu gut. Angesichts der Pandemie ist Geduld etwas, was auch von uns verlangt wird. Geduld, bis der Impfstoff da ist… Geduld bis genügend Menschen geimpft sind. Geduld angesichts der ganzen Einschränkungen.
Wir wissen nicht genau, an wen dieser Jakobusbrief genau gerichtet ist. Wahrscheinlich waren es Gemeinden, die zum Ende des ersten Jahrhunderts wohl im heutigen Gebiet Syriens angesiedelt waren. Also zu einer Zeit, in der alle Euphorie der frühen Jesusbewegung langsam aber sicher abnahm: in der die Naherwartung der ersten Generation schon längst Vergangenheit war und wo die gesellschaftliche, die politische Situation schlecht war. Es sah düster aus in diesem ausgehenden Jahrhundert.
Auch wenn man Zeiten schlecht miteinander vergleichen kann: wo wir heute in Zeiten leben, in denen all die Probleme eher zunehmen und wir zugleich von einer Pandemie fremdbestimmt werden, stehen wir wohl letztlich den Adressaten dieser Zeilen näher als wir denken. Denen damals und auch uns ist das Kommen Jesu versprochen worden und passiert ist noch nichts.
Nehmen wir also die Aufforderung zur Geduld persönlich.
Aber was ist Geduld?
In unserem Sprachgebrauch schwingt bei Geduld immer etwas Passives mit. Googelt man den Begriff ist u.a. der Eintrag zu finden, dass Geduld „die Fähigkeit ist zu warten oder etwas zu ertragen“.
Und speziell unsere protestantische Tradition hat solch eine eher passive Geduld zur Wesensbeschreibung christlicher Glaubensweise stilisiert: in dieser Welt alles zu ertragen. Bis der Herr kommt, alles zu ertragen – das Jammertal hinzunehmen.
Aber genau solche eine Lesart einer passiven Geduld ist ein Problem. Denn im biblischen Kontext ist Geduld gerade nicht ein Ertragen oder ein Hinnehmen – keine passive Haltung. Geduld hat vielmehr etwas Aktives.
Nicht umsonst wählt dazu Jakobus das Bild der Ernte, was für die damaligen Menschen, die zum überwiegendem Teil Bauern waren, sofort einleuchten musste.
So klar es ist, dass eine Ernte von Faktoren abhängt, die nicht zu beeinflussen sind – wie z.B. die ausreichende Menge an Regen – so haben ja diejenigen, die einen Acker besaßen, nicht einfach Däumchen gedreht und sich zurückgelehnt. Das Wachsen auf dem Felde haben sie durch Arbeit initiiert und begleitet: sie pflegten die Pflanzen beim Wachsen, rissen anderes aus, was das Wachsen der Früchte behinderte, schützten die Felder vor Tieren.
Geduld, von der hier die Rede ist, hat etwas Aktives. Es geht um Standhaftigkeit – um Ausdauer – aber vor allem um Widerständigkeit.
Und Geduld, die wir – nach Jakobus – aufbringen sollen, verstehe ich genau in diesem Sinne.
Und der Verweis darauf, dass Jesus kommen wird, erlebe ich als Hinweis darauf, dass es sich lohnt – d.h. dass es Sinn macht – sich genau in diesem Sinne zu gedulden.
Anders formuliert: dass es keinen Grund gibt zu resignieren – dass Gott zu SEINEM Wort steht, dass am Ende allein ER das letzte Wort hat.
Unsere Hoffnung hat einen Grund – immer noch – auch heute.
Und von da aus beinhaltet die Geduld, all dem, was dem Kommen Jesu widerspricht, nicht recht zu geben.
Was meine ich damit?
Zwei Beispiele:
Allein der Blick in eine Ausgabe einer Tageszeitung offenbart uns eine, im tiefsten Inneren verletzte Welt, die im Begriff ist, mehr und mehr auseinanderzubrechen. Und das Gefühl wird vermittelt, dass es eigentlich keine Hoffnung gibt, dass sich daran irgendetwas ändern könnte.
Geduld bedeutet da: das nicht als Glaubenswahrheit für sich zu übernehmen. Sondern daran festzuhalten, dass Gott zu dieser Welt gesagt hat, dass sie gut ist und dass er an ihr festhält. Also einen zuversichtlichen, hoffnungsvollen Blick auf diese Welt – ohne all die Probleme zu ignorieren oder klein zu reden.
Und: es gibt aktuell genug Menschen, die am Gemeinwohl nicht interessiert sind – die mit einem Begriff wie Solidarität nichts anfangen können – die sich zum Teil (wie der Parteitag in Kalkar am letzten Wochenende zeigte) einem völkischen Denken verschrieben haben: die entsprechend gegen alles hetzen, was nicht so ist wie sie. Und es gibt die, die wie ein Wolf im Schafsfell daherkommen: sich als Querdenker ausgeben – vielleicht der Euphemismus des Jahres – die mit ihren Verschwörungstheorien hausieren gehen und kein Problem haben, mit Faschisten zu demonstrieren.
Geduld bedeutet da: sich von diesen Menschen – auch wenn einige davon nur aus Angst so handeln…weil sie mit der aktuellen Situation einfach nicht klarkommen – sich von diesen Menschen und von der Energie, die von ihnen ausgeht, nicht beindrucken oder einschüchtern zu lassen.
Nüchtern bleiben!
Geduld – und das mögen diese beiden Beispiele deutlich machen – ist in diesem Sinne ein Widerstehen.
Immer im Blick auf den, der kommt – immer im Ohr die Verheißungen des Gottes Israels, dass sich hier auf Erden Frieden und Gerechtigkeit küssen werden – immer im Herzen das, was allgemein als Nächstenliebe bezeichnet wird und was nichts anderes ist als gelebte Solidarität dem eigenen Mitmenschen gegenüber.
Geduldet auch ihr euch, stärkt das Denken, Fühlen und Wollen eurer Herzen!
In Zeiten wie diesen geht es schlicht darum, festzuhalten an dem, was Gott uns versprochen hat.
So ein Festhalten ist anstrengend, weil wir in andauernder Anfechtung leben – und das Festhalten gibt auch Kraft. Nicht nur weil das Festhalten eine Orientierung gibt. Es ist ein Akt der Hoffnung. Und Hoffnung belebt – weckt Lebenskräfte – mobilisiert Widerstandskräfte.
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Wir feiern Advent. Advent ist nicht nur einfach die Zeit bis Weihnachten. Es ist die Zeit der Vorbereitung – der Erwartung. Es ist die Zeit, in der uns eben gesagt wird: Eurer Warten, Eurer Hoffen ist nicht umsonst. Es hat – wie schon gesagt – seinen Grund im doppelten Sinne.
Ein abschließender Gedanke:
Um das Bild des Acker, das Jakobus anführt, aufzugreifen: in diesem Bild werden wir ein Großes hineingestellt: das Wachsen einer Frucht ist bei allem menschlichen Zutun immer auch ein Wunder – es ist ein Geschenk Gottes. So ist dann das Warten der Bauersleute, von dem Jakobus spricht, auch ein Abbild für das Eingebundensein von uns Menschen in Gottes gute Schöpfung. Das ist bestärkend und entlastend zugleich: es liegt nicht alles in der Hand von uns – und gleichzeitig: wir dürfen und können uns einbringen. Und wir dürfen darauf setzen, dass Gott alles zu einem guten Ende führt. Denn: Jesus wird kommen.
Amen.
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