Predigt über 1.Petrus 5,1-4 am Sonntag Misericordias Domini (14.April 2024)

Predigt über 1.Petrus 5,1-4 am Sonntag Misericordias Domini (14.April 2024)

Predigt über 1.Petrus 5,1-4 am Sonntag Misericordias Domini (14.April 2024)

# Predigten

Predigt über 1.Petrus 5,1-4 am Sonntag Misericordias Domini (14.April 2024)

1 Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:  2 Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund;  3 nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde.  4 So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen. 

Liebe Gemeinde,

Herde, Hirten...weiden.

Die Herde als Bild für die Gemeinde, die geweidet werden muss.

Das sind alte, aus den biblischen Texten des Alten Testamentes genährte Bilder.  

Für manche von uns hier in Düsseldorf mögen sich Bilder einstellen – so dass wir z.B. die Rheinwiesen vor Augen haben, wo man eben die Schafherden sehen können...und die Hirten.

Idyllische Bilder.  

Dabei ist das Bild der Herde und das des Hirten alles andere als ungefährlich. Herden sind immer gefährdet. Früher waren es in unseren Breiten Wölfe, vor denen die Herde geschützt werden musste. Wölfe, von denen man hie und da heute sgar noch vereinzelt lesen kann.  

Der berühmte Passus aus dem von uns vorhin gesprochenen Psalm 23, dass „dein“ Stecken und Stab mich trösten, verweist auf diese Gefährlichkeit: ist doch der Stecken und Stab DIE „Waffe“ eines Hirten, mit der er wilde Tiere nicht nur vertreibt, sondern auch verdreschen bis hin töten kann  

So hält das Bild von der Herde und vom Hirten erst einmal fest: da gibt es welche, die Schutz benötigen – und da gibt es welche, die sich für den Schutz einzusetzen haben.  

Aber das Bild von der Herde/das vom Hirten hat nicht nur den einen, wenig idyllischen „Sitz im Leben“.  

In den biblischen Schriften ist speziell das Bild des Hirten nicht nur mit dem „guten Hirten“ aus Psalm 23 oder dem guten Hirten Jesus besetzt, wie – vorhin beim Wochenspruch (Joh 10,11a.27–28a) gehört - er beim Evangelisten Johannes bezeichnet wird.

Es gibt auch die schlechten Hirten in der Bibel, wie wir eben in der Lesung aus dem Buch des Propheten Ezechiel (Ezechiel 34,1-10) erfahren konnten.

Das sind die, die als Könige ihr Volk – ihre Herde – vernachlässigen. Statt sie zu schützen, Gefahren aussetzen...oder eben auf Kosten der Schutzbefohlenen leben und wirtschaften.  

Nicht Schutz, sondern Missbrauch.

Gott sei es geklagt: gerade bei denen, die eine schützende Aufgabe gehabt haben.

Wölfe im Schafspelz.

Und das ist vielleicht das Schrecklichste: dass diejenigen, unter deren Schutz sich jemand begibt, diese Situation ausnutzt.

Machtausübung auf Kosten anderer.  

Im 1. Petrusbrief wird das am Greifbarsten mit der Formulierung „schändlicher Gewinn“ auf den Punkt gebracht.

Und dieser schändliche Gewinn ist facettenreich:

Es geht da nicht nur um den schnöden Mammon. Sicherlich: wenn wir die Propheten lesen, dass werfen sie den „schlechten Hirten“ gerade auch das vor: dass sie sich bereichern auf Kosten Einzelner oder des ganzen Volkes.

„Schändlicher Gewinn“ ist aber auch, Abhängigkeiten zum eigenen Vorteil auszunutzen. Und das geht – wir wissen es nur zu gut - eben auch bis zum sexuellen Missbrauch.

Und ist grundsätzlich zu sagen, dass sexueller Missbrauch an sich ein unentschuldbares Verbrechen ist, wiegt es umso schwerer, wenn es bis zum heutigen Tag immer wieder auch – scheinbar ungebrochen – innerhalb kirchlicher Mauern geschieht.  

So hält das Bild von der Herde und vom Hirten auch fest: da gibt es welche, die erweisen sich eben nicht als „gute Hirten“.

Die Gefahr kommt auch von innen.  

Darin erweist sich die Bibel als systemkritisch – als sehr nüchtern.

Das Leben und eben auch die Glieder eine Gemeinde/einer Kirche – die Herde – sind gefährdet. Eben nicht nur von außen – auch von innen.  

Ich finde diese systemkritische Sicht insofern hilfreich, als dass Missbrauch von Macht – ganz egal in welcher Form – als das benannt wird, was es eben ist: Missbrauch ist Sünde.  

Hätte auch unsere Evangelische Kirche schon früher diese kritische biblische Tradition beherzigt, dann wären z.B. die Missbrauchsfälle, die innerhalb unserer Evangelischen Kirche geschehen sind, nicht so unter den Mantel des Schweigens geschoben worden. Dann wäre es nicht dazu gekommen, Unrecht zu verheimlichen. Wo bis auf den heutigen Tag Verantwortliche meinten, bei bekannt gewordenen Missbrauchsfällen die eigene Kirche schützen zu müssen, hätten sie eingedenk dieses biblischen Kritikpotentials ganz anders verhalten können und müssen.

Mehr noch: dass Wissen um die „schlechten Hirten“, die eigentlich nichts anderes machen, als den Psalm 23 in den Dreck zu treten, hätte den Blick geschärft und vor dem Weggucken, dem Weghören bewahrt.

Weil eben klar ist: es gibt eben auch die, die ihre Position ausnutzen.  

Und wir würden uns nicht an dieser schrecklich-falschen Ideologie abarbeiten, dass es so was doch innerhalb der Kirche nicht geben könne.

So hat auch die ForumStudie, die im Januar veröffentlicht worden ist, in aller Klarheit unserer Evangelischen Kirche einen Spiegel vorgehalten: dass es bei uns in keinster Weise besser ist als an anderen Orten unserer Gesellschaft. Mehr noch: dass gerade der Umgang mit offensichtlichen Missbrauchsfällen und der Umgang mit Betroffenen abgrundtief schändlich gewesen ist - und alles noch viel schlimmer gemacht hat.  

Verantwortung für Menschen zu haben – für eine Gemeinde – oder eben im Bild des 1. Petrusbriefes – für eine Herde: das hat nichts Idyllisches.

Gefahren auf die leichte Schulter zu nehmen, war und ist fahrlässig.  

Ermahnung – Wachsamkeit ist immer notwendig. Alles andere wäre fatal.  

Gebote, Weisungen, Aufforderungen – wie in unserem Predigttext – sind sicherlich nicht Worte, die uns erst einmal innerlich ansprechen. Ist es doch so, dass wir meist – wenn uns jemand sagt, dass wir etwas tun sollen – in einen inneren Widerstand gehen.

Und zugleich: es gibt nun einmal keine Selbstverständlichkeit, nicht missbräuchlich – in welcher Form auch immer – zu handeln. Gäbe es sie, würde es keinen Missbrauch geben.

Und weil es eben diese Selbstverständlichkeit nicht gibt, muss immer wieder daran erinnert werden.  

Auf diesem Hintergrund und mit einem nüchternen Blick formuliert unser Predigttext dann drei Koordinaten für das Handeln innerhalb einer Kirche und Gemeinde: für das Schützen der Herde.  

Und ich möchte das folgendermaßen auf den Punkt bringen:  

1. Das Schützen hat etwas mit dem Schutz der Würde zu tun: dass die Würde und die Integrität der Glieder einer Gemeinde, einer Kirche gewahrt werden. Aller Glieder.

Und Würde - im Sinne eines Rechtes! - bedeutet, dass jeder und jede stressfrei da sein darf und Anteilnahmen kann. Denn Gemeinde muss ein Ort sein, wo jede und jeder ohne Angst sein darf.  

2. Das Schützen hat auch etwas mit dem Herzensgrund zu tun: Sympathie im eigentlichen Sinne des Wortes - im Sinne einer Haltung.

Wenn das Ergehen der anderen eine Herzensangelegenheit ist – wenn das Wohl und die Unversehrtheit des Gegenübers uns leitet, sind wir sicherlich nicht vor Fehlern geschützt. Aber: es ist ein möglicher Schutz davor, etwas auf Kosten eines anderen zu machen...um für sich einen Vorteil, eine Befriedigung zu erlangen.  

3. Das Schützen setzt auf ein Miteinander.

Hier scheint das durch, was der Apostel Paulus mit seinem anderen Bild von dem einem Leib versucht hat, auf den Punkt zu bringen. Wir sind alle voneinander – im ganz positiven Sinne – abhängig. Nicht Hierarchie – nicht Herrschaft, sondern das Miteinander soll unser Leben bestimmen. Und gerade die, die Verantwortung tragen, haben gerade das immer wieder durchzubuchstabieren. Pfarrer – PfarrerInnen – Mitglieder des Presbyteriums – Mitarbeitende sind auch nur Glieder an dem einem Leib. Nicht mehr und nicht weniger.

Und da gilt es als gemeinschaftliche Aufgabe, aufeinander zu achten.  

Es ist gut, dass wir diesen nüchternen, systemkritischen Blick der biblischen Schriften geschenkt bekommen haben.

Er ist ein Segen.

Mögen wir diesen Schatz zu schätzen wissen.

Denn wir brauchen ihn.  

Amen.

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