02/07/2024 0 Kommentare
Predigt zu Psalm 125 am 1. Advent
Predigt zu Psalm 125 am 1. Advent
# Predigten
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Predigt zu Psalm 125 am 1. Advent
Liebe Gemeinde,
heute ist der 1. Advent. Damit beginnt zum einem das neue Kirchenjahr.
Zum anderen ist der Advent eine eigene Zeit: die Zeit der Vorbereitung auf den Heiligen Abend – Vorbereitung auf das Fest, an dem wir uns an die Geburt Jesu erinnern.
Was bedeutet dabei aber Vorbereitung?
Hätten wir an dem Altar ein Antependium hängen, würde es die Farbe „Lila“ haben – so wie in der Passionszeit.
Nicht umsonst haben die Adventssonntage eher ernste, schwere Predigttexte, was darauf hindeutet, dass diese Zeit der Vorbereitung eine ist, in der es darum geht, uns in unseren Gedanken, unseren Alltagsgeschäften und -sorgen unterbrechen zu lassen: damit wir das in den Blick bekommen, was zur Substanz unseres Glaubens gehört und was uns am Heiligen Abend von Jahr zu Jahr ins Herz gegeben wird.
Und darin – die Farbe „Lila“ als Farbe der Buße – eine Besinnung als Akt der Selbstkorrektur – der Buße.
So möchte ich an diesem 1. Advent über einen Psalm sprechen: den 125. Psalm. Bewusst: ein Text aus der Hebräischen Bibel. Damit wir das wahrnehmen, was die Geburt des Messias – des „Heiden Heiland“ – ausmacht.
Das heißt es am Anfang:
Die auf den HERRN vertrauen, sind wie der Berg Zion, der nicht wankt, der ewig bleibt.
Von Bergen rings umgeben ist Jerusalem; so umgibt der HERR sein Volk, von nun an bis in Ewigkeit.
Das ist ein Psalm, den sicherlich auch Jesus selbst gesprochen und gesungen hat. Er eröffnet uns die Treue-Geschichte Gottes mit seinem Volk, in die wir durch Jesus – dem Kind in der Krippe – selbst eingebunden worden sind.
Denn Gott hat SICH an Abraham und Sarah, an diese kleine Volk gebunden... Gott hat dieses Volk durch die Zeiten begleitet... hat es nicht im Stich gelassen, auch wenn ER allen Grund dazu gehabt hätte. Darin zeigt sich Gottes Treue – bis zum heutigen Tag.
So erinnern uns die Psalmworte daran, dass der Messias nicht einfach vom Himmel gefallen ist – sondern dass der Gesalbte Gottes, den wir in diesem jüdischen Kind erkannt haben, unlösbar mit einer Geschichte Gottes mit SEINEM Volk Israel verknüpft ist.
Und das ist existentiell wichtig für unseren Glauben.
In der ersten Frage des Heidelberger Katechismus wird gefragt, was denn unser einziger Trost im Leben und im Sterben sei. Die Antwort, die gegeben wird, ist, dass das Jesus Christus selbst ist.
Die Antwort ist richtig – und: dass er wirklich für uns der einzige Trost ist – und das bedeutet, dass wir uns in jeder Hinsicht auf ihn verlassen können – dass hängt schlicht und einfach mit dem Umstand zusammen, dass er der Sohn des Vaters ist, DER sich als der treue, verlässliche Gott der Welt vorgestellt hat – und DER sich als solcher auch erwiesen hat.
Von Bergen rings umgeben ist Jerusalem; so umgibt der HERR sein Volk, von nun an bis in Ewigkeit.
Es ist ein in Bildern gepackte Zusage: der Schutz der Berge – sie versinnbildlichen den Schutz Gottes. Und die Beständigkeit der Berge verweisen darauf, dass dieser Schutz nicht nur befristet gilt – sondern ewig.
Dieser Psalm „verlinkt“ uns also mit der Treue-Geschichte Gottes.
Zu wissen, welche Geschichte Jesu Geburt uns eröffnet, ist somit Voraussetzung für uns/unseren Glauben. Jesus macht uns mit DEM bekannt, der Wort und Treue hält ewiglich und der nicht fahren lässt das Werk seiner Hände – so wie wir es auch zu Beginn eines jeden Gottesdienstes bekennen.
Aber es geht noch um mehr!
Weiter heißt es dann in dem Psalm:
3 Denn das Zepter des Frevels wird nicht lasten auf dem Erbteil der Gerechten, damit die Gerechten ihre Hände nicht nach dem Unrecht ausstrecken.
4 Tue Gutes, HERR, den Guten und denen, die aufrichtig sind in ihrem Herzen.
5 Die aber ihre krummen Wege gehen, die lasse der HERR dahinfahren samt den Übeltätern. Friede über Israel!
Gottes Treue ist nicht ohne „Gerechtigkeit“ zu denken.
Der verlässliche „Heiland“ ist immer auch der Retter, der befreit aus Ungerechtigkeit – der unlösbar für Gerechtigkeit steht.
Und das hat einen globalen Anspruch, den dieses Kind - in Windeln gewickelt – erhebt.
Denn wir leben in Zeiten, in denen wir alltäglich überschüttet werden von all den Meldungen, in denen wir von Ungerechtigkeit – individuell wie auch strukturell – erfahren.
Wir leben in Zeiten, in denen das Unrecht und all die damit verbundene Gewalt zum Himmel schreit.
Und da gibt es diese Verheißung – diese Vision, dass Ungerechtigkeit eben nicht mehr das Miteinander bestimmt. Sondern dass ein Miteinander der Teilhabe – der Fairness uns leitet. Ein Miteinander von Menschen, die eben nicht die krummen Wege gehen. Und wir dafür schon alles tun sollen, was in unseren Kräften ist.
Und diejenigen, die die krummen Wege gehen?
Die auf Kosten anderer und auf Kosten unserer Schöpfung wirtschaften?
Die Kriegsanzettler?
Die Kriegsgewinnler?
Die Menschenfeinde…die Rassisten?
5 Die aber ihre krummen Wege gehen, die lasse der HERR dahinfahren samt den Übeltätern…! – so überträgt es Martin Luther ins Deutsche.
Martin Buber, der jüdische Theologe, übersetzt diesen letzten Vers genauer:
Die abbiegen aber: ihre Krümmnisse lässt Gott sie gehen...
Das heißt nach biblischer Logik: sie bekommen die Folgen ihrer Taten zu spüren.
Es hört sich hart an. Ist das adventlich oder gar weihnachtlich?
Ja!
Denn aus diesem Vers spricht vor allem die Sehnsucht all der Opfer, die Unrecht erlitten haben, dass unsere Welt anders sein möge. Die Sehnsucht, dass Gerechtigkeit geschehe – und dass die Täter nicht einfach davon kommen – dass sie mindestens (!) mit dem konfrontiert werden, was sie zu verantworten haben.
Jesus, der ganz unten in einem jämmerlichen Stall zur Welt gekommen ist – der sich so - von Geburt an – an die Seite der Opfer gestellt hat – der als Säugling zum Flüchtling wurde: dieser Jesus ist leidenschaftlich parteilich. Und er eröffnet – in dieser Parteilichkeit – uns diese Hoffnung: dass alles gut wird.
Friede über Israel.
Die Hoffnung, dass alles gut wird.
Und „Friede über Israel“ ist nicht einfach daher gesagt – irgendeine Floskel.
Diese letzten Worte dieses Psalm sind aktuell in mehrfacher Hinsicht!
Gott bindet uns in Jesus an das jüdische Volk.
In dieser Zeit der Vorbereitung – in dieser Adventszeit – gilt es, dass wir das als einen reichen Schatz, der uns geschenkt worden ist, wahrnehmen und in unser Herz lassen…es dort bewegen, wertschätzen und bewahren …einerseits.
Anderseits: in dieser Bindung…in dieser Verbundenheit kann und darf es uns nicht kaltlassen, was aktuell – aber auch grundsätzlich – Juden und Jüdinnen in unserer Zeit widerfährt.
Jede Form von Judenhass…jede Form von Antisemitismus ist nicht nur ein Angriff auf jüdische Menschen – es ist auch ein Angriff auf Gott selbst – und es ist auch automatisch immer auch ein Angriff auf uns selbst.
Die Adventszeit ist eine Zeit der Vorbereitung und darin eine Zeit, in der wir uns besinnen sollen auf das, worauf es ankommt: im Hören und im Tun.
Besinnung darauf, wo wir als Christenmenschen zu stehen haben.
Solidarisch und schützend vor und neben unseren jüdischen Geschwistern.
Dazu sind wir berufen.
Blenden wir all das aus – welche Dimension dieses Kind in der Krippe für uns hat – haben wir nichts von Weihnachten verstanden.
„O, du fröhliche“ können wir nur in einer solidarischen Haltung singen.
Alles andere wäre eine Lästerung!
Amen.
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